Die Konditorei war die perfekte Ergänzung zu den Metzgereien und Käseläden am Spalenberg, als Ernst Gilgen 1960 sein Geschäft und wenig später auch die Backstube am jetzigen Standort einrichtete. Die Kundschaft kannte das Sortiment bereits von der Hutgasse her, wo sich die Konditorei bis 1959 befand, dann aber dem heutigen «Coop City» weichen musste.
Ernst Gilgen und seine Frau Ruth eröffneten ihr Geschäft 1937. In den Kriegszeiten war es schwer, im Handel genug Eier und Mehl zu bekommen, weshalb das Paar oft von Bauern der Region versorgt wurden. Besonders am Herzen lag ihnen der Berner Butterzopf. Die Kundschaft stand Schlange für den einzigen luftigen Hefezopf der Stadt. Zwar boten auch andere Geschäfte Zöpfe an – den Zopf, wie wir ihn kennen, gab es in Basel damals aber nur bei Gilgen. Das Rezept hatte Ernst Gilgen aus Bern mitgebracht, wo er aufgewachsen war.
Qualität, Frische, Originalöfen, Handarbeit
Auch heute stehen die Menschen vor dem Laden am Unteren Spalenberg Schlange. Etwa am 6. Dezember, wenn zum «Santiglaus» über 5500 Grättimänner über den Ladentisch gehen oder am 6. Januar, dem Tag der drei Könige, wenn es den entsprechenden Kuchen gibt. Auch an gewöhnlichen Tagen warten die Kunden für einen Russenzopf, Silserli oder ein Säckchen Kirschmakrönli geduldig im Laden und davor – denn viel Platz bietet das «kleine Geschäft für gute Sachen» nicht. Expandieren kam für die Familie aber nie infrage. Das Motto lautet: klein, aber fein. Wobei mit «fein» die hohe Qualität der Produkte gemeint ist.
Für die Hefegebäcke werden echte Butter und frische Vollmilch verwendet, Margarine oder Milchpulver sind tabu. Das Team produziert täglich frisch. Fast alle Öfen stammen aus dem Jahr 1937. Grättimänner oder Faschtewaijen etwa werden darin gebacken, denn laut Stefan Gilgen werden diese Backwaren nur in den Originalöfen so zart, wie sie die Kunden schätzen. Alles, was über die Theke geht, wurde von Hand gefertigt. Das gilt auch für Verpackungen. Die Rezepte werden bis heute mündlich oder in handschriftlicher Form weitergegeben.
Ernst und Ruth Gilgen hatten fünf Kinder. Stefan Gilgen und seine Geschwister Ernst und Ruth stiegen ganz ins Familienunternehmen ein. Der Vater übergab das Geschäft 1972 schliesslich an seine Söhnen Ernst und Stefan. Seit 2005 ist Stefan Gilgen bis heute der Kopf des Unternehmens.
Ein Grossteil des Teams arbeitet seit Jahrzehnten bei Gilgen, manche haben dort sogar die Lehre absolviert. So unter anderem Geschäftsführerin Susanne Bumann, die nach einigen Jahren in anderen Geschäften zu ihrem angestammten Arbeitgeber zurückkehrte. Auch Thierry Illtis und Chefkonditor Mike Bodein gehören zu Gilgen wie die Läckerli und der Hefekranz. Pensionierte Mitarbeiter und Bekannte helfen regelmässig aus, wenn es viel zu tun gibt. Ostern, Weihnachtszeit, Dreikönig – bei Gilgen ist immer irgendwie Hochsaison.
Imperium in zwei schmalen Häuschen
Vieles bleibt den Kunden allerdings verborgen. Was sie sehen und vor allem schmecken sind die Gebäcke, Schokoladeprodukte, Fruchtwähen und Teestückli. Sie erleben sie die freundlichen Damen im Verkauf, die ihre Kundinnen und Kunden nicht selten beim Namen ansprechen, und freuen sich über das Schaufenster, das passend zur Jahreszeit bunt geschmückt ist. Kaum jemand weiss allerdings, dass das schmale Haus am Spalenberg ein Geschwisterchen dahinter hat. Im Parterre des Hinterhauses befindet sich gleich hinter dem Laden die Backstube, die Häuser aus dem 13. Jahrhundert sind miteinander verbunden. Auf fünf Etagen sind Laden, Backstube, Confiserie, Lagerraum, Packraum und Werkstatt verteilt. Den Mitarbeitenden stehen Garderoben zur Verfügung und eine Dachterrasse für kleine Verschnaufpausen bietet einen himmlischen Blick über die Dächer der Altstadt.
Gilgen ist in Basel eine Institution. Andrea Kuhn-Gilgen ist als Tochter von Stefan Gilgen seit Jahren am täglichen Geschäft hinter den Kulissen beteiligt und wird die Gilgen AG in dritter Generation übernehmen. Ändern möchte auch sie bis auf Kleinigkeiten nichts. Es ist die Tradition, die in der Familie Gilgen seit jeher hochgehalten wurde. Metzgereien gibt es längst keine mehr am Spalenberg, sie sind Boutiquen und Schmuckläden gewichen. Gilgen hat seinen Platz behalten und ist auch in der zeitgemässen Umgebung die perfekte Ergänzung.